Pulvermaarvulkan
Das Pulvermaar
Das tiefste „Auge der Eifel“
Willkommen am Pulvermaar! Haben Sie schon am Rand des Sees gestanden,
gar darin geschwommen? Oder kennen Sie die Eifelmaare bisher nur von
Fotos? Denn erst der moderne Blick von oben hat die Maare als “Augen der
Eifel“ bekannt und zum Wahrzeichen gemacht! So wie das blaue “Auge“
zwischen weiten grünen Feldern & Wäldern liegt, verzaubert es diese Landschaft.
Doch stehen Sie an diesen Seen, so weicht der faszinierte Blick vom
Himmel der nüchternen Frage: Was soll daran besonders sein? Bis auf wenige
Ausnahmen haben die Eifler die Maare gemieden, und besonders das
Pulvermaar ist seiner steilen Hänge wegen gänzlich ungeeignet zu einer
Ansiedlung. Und auch wenn das Wasser das klarste der ganzen Rheinlande
sein soll - es ist nicht Jedermanns Sache, über einem Vulkan zu baden.
Denn die Maare sind vulkanischen Ursprungs. Die Wissenschaft, welche sich mit der Entstehung der Erde und ihrer Gesteine und eben auch der
Maare beschäftigt, heißt Geologie. Die Geologen haben schon früh vermutet,
dass die Maare und meisten Berge der Eifel vulkanischen Ursprungs sind.
Doch was für Anzeichen finden sie vor, die Bildung des Pulvermaares genauer
zu klären? Es fällt nämlich schwer, etwas zu erkennen, was die heutige Idylle
rund um das Maar vergessen und die explosiven Kräfte aus der Zeit des
aktiven Vulkanismus’ anschaulich macht. Das Pulvermaar ist zudem geologisch
noch weitgehend unerforscht. Versuchen wir trotzdem, uns eine Vorstellung
von der Entstehung dieses Maares zu machen. Die Geologie
Der Blick des Geologen
Der See heute ist ungewöhnlich rund, hat einen Durchmesser von fast
1.000 m und ist mit über 70 m außerordentlich tief für ein Maar. Die Hänge
sind innen gleichmäßig steil, fallen nach außen jedoch sanft ab. Es liegt
ein geschlossener Wall aus Vulkansand rings um den See. Von außen
betrachtet ragt dieser Wall mehr als 20 m über die umgebende Landschaft
empor (Scheitel bei ca. 500 m über NN), um nach innen rund 40 m zum
Seespiegel hin abzufallen. Laufend arbeiten Wind, Regen und nicht zuletzt
der Mensch an diesem Wall und führen zu andauernder Abtragung. Jedes
einmal im Maarkessel gefangene Teilchen, ob Stein, Blatt oder ganzer
Baum, rutscht irgendwann ins Wasser und füllt den trichterförmigen Untergrund
auf.
Schätzungen für die ursprüngliche Höhe zwischen der tiefsten
Stelle im Trichter und der höchsten Stelle auf dem Wall gehen bis zu 300
Meter! Davon ist heute nicht einmal die Hälfte übrig geblieben.
Erkenntnisse gewinnt die Geologie in erster Linie aus der Untersuchung
vor Ort im Vergleich mit gegenwärtigen Vulkanen und den von ihnen
hervorgerufenen Ausbrüchen (Eruptionen) bzw. Auswurfmaterialien
("Tephra" als Oberbegriff für alles vulkanische Lockermaterial: Lavaklumpen
„Schlacke“, feine Bröckchen „Lapilli“, feinste Teilchen „Asche“). Eine alte
Lavasandgrube, am Rande des Pulvermaar-Walles gelegen, gibt den besten
Aufschluss über die Entstehungsgeschichte:
Dort erkennt man meterhohe Ablagerungen, zumeist ganz locker gepackt
und nicht verdichtet.
Dieses Lockermaterial (Tephra) besteht aus fast
durchgängig grauen, erbsengroß-rundlichen Steinchen von mehrheitlich
2 bis 20 Millimetern Größe - ein gänzlich unscheinbar-langweiliger Gesteinsgrus,
der so gar nicht nach Lava aussieht. Bei genauem Sehen erkennt
man einen Wechsel fein- & grobkörniger Schichten, auch Farbunterschiede,
einzelne größere Gesteinsbrocken, dazwischen Schieferstücke.
Die Dicke der Schichten und die Größe der Blöcke nimmt in Richtung auf
den See zu - ein Zeichen, dass dieses Material aus dem Maar heraus geschleudert
wurde. Nur an einer Stelle, am inneren Südrand des Walles,
findet sich aus dem Schlot heraus gequollene Lava, heute festes Basaltgestein.
Ansonsten fehlen all’ jene Gesteine in ihren oft bizarren Formen
und leuchtenden Farben, wie man sie von anderen Vulkanen her kennt. Der Vulkan
Die Lebensdauer des Pulvermaar-Vulkans
Muss man sich das Pulvermaar als Ergebnis eines gewaltigen Ausbruchs
vorstellen? Oder liegt ihm eine lange Reihe gleichartiger Explosionen
zugrunde? Die große Maartiefe, die Gleichmäßigkeit des Walles, die
Eintönigkeit der Steine sprechen für eine einheitliche Ursache, also eher
für "einen großen" Ausbruch. Vom Pulvermaar gibt es auch keine Hinweise
auf eine lange und wechselhafte Ausbruchsgeschichte (so wie beim
Wartgesberg bei Strohn oder den Schlackenkegeln der Osteifel). Andererseits
weisen rekonstruierte Flugbahnen und Auswurfhöhen auf nur mäßige
Kräfte hin, also eher auf eine Vielzahl mäßiger Eruptionen. Dazu passt die
Aufgliederung des Walles aus vulkanischen Steinchen (Lapilli) in viele
Schichten, wobei gilt: "
Jede Lage ist eine Explosion. " – nur über welchen
Zeitraum? "Eine" Eruption kann Minuten dauern – oder Hunderte von
Tagen, je nachdem, wie großzügig man den Begriff versteht! Der "Brubbel"
in Wallenborn, eine Stoßquelle mit Wechsel zwischen Wasser-Gas-Eruption
und Ruhephase (den Geysiren Islands ähnlich) zeigt, dass vulkanische
Tätigkeit sich über lange Zeiträume hinweg immer wieder gleichartig
entfalten kann. Und das Pulvermaar? Plausibel ist die Annahme einer vulkanischen
Tätigkeit über bloß wenige Tage/Wochen mit zwar vielen, aber
in sich gleichen Auswürfen. Der Pulvermaar-Vulkan unterscheidet sich
also grundsätzlich von den über lange Zeit immer wieder einmal eruptierenden
Vulkanen (wie dem Aetna oder Stromboli in Italien), denn aktiv
war er nur kurz, heftig und vor allem: einmalig. Magma
Der heiße Untergrund: Magma
Die Eifel ist ein altes Gebirge, bestehend aus ehemaligen Meeresablagerungen
und vor Millionen Jahren aufgefaltet. Die alten Gipfel dieses Gebirges
sind längst abgetragen, weshalb die zentrale Eifel heute eine relativ
flache Hochebene ist, überragt von jüngeren Vulkankegeln. Seit rund
600.000 Jahren hebt sich das Land wieder, insgesamt um bisher gut 500
Meter. Vermutlich steht der Vulkanismus mit dieser Hebung in Zusammenhang:
Zeugen sind die rund 370 Vulkane der Ost- und Vulkaneifel, die
in dieser Zeit entstanden.
Doch was ist nun die Quelle der Vulkane? Unter der Erdkruste vermuten
Geologen eine Zone, in der heißes und teilweise fließfähiges Gestein
(Magma) aus dem Erdmantel, aus teilweise mehreren Hundert Kilometern
Tiefe, nach oben drängt. Es nutzt vermutlich zwei Schwächezonen im
Schiefergebirge der Vulkan- bzw. Ost-Eifel aus, um – mal nahe, mal
bedrohlich näher – gen Erdoberfläche aufzusteigen. Dieses Magma ist
deutlich über 1.100 C heiß und besteht aus einer mit Gasen & Kristallen
durchsetzten zähflüssigen 'Suppe'. Was aber bewirkte, dass sich kein
klassischer Lavastrom nach oben erbrach und einen Vulkankegel aufbaute,
sondern ein tiefes Loch mit umgebendem Wall in die Landschaft gerissen
wurde? Das Zauberwort heißt "Wasser"! Die Explosion
Magma plus Wasser gleich Dampf
Kommt es durch Kontakt heißen Magmas mit kaltem Wasser zu einer vulkanischen
Explosion, so liegt eine Dampfexplosion vor (phreatische Eruption).
Sie kommt plötzlich und äußerst heftig, kommt nach der Verdampfung
des Wassers aber genauso schnell zum Erliegen. Die Entstehung des Pulvermaares
während der Eiszeit lässt Schnee/Eis und kalte Schmelzwässer
erwarten, zumal das Maar über einem alten Bachlauf liegt. Zudem zeigte
sich bei der Beobachtung heute aktiver Vulkane, dass Dampfexplosionen
schon durch Rinnsale oder Regengüsse ausgelöst werden. Das durch Gesteinsspalten
einsickernde Wasser erhitzt sich, je mehr es sich dem Magma
nähert.
Durch den Druck, den das deckende Gestein in großer Tiefe erzeugt,
erhöht sich der Siedepunkt des Wassers (z.B. bei 220 Bar auf bis zu 370 C).
Und je größer die Kontaktfläche des Magmas zum Wasser, desto stärker
kann sich die Hitze übertragen: Je mehr heiße Gase aus dem Magma sich
mit dem Wasser vermischen, desto schneller reichert sich die für eine
Explosion notwendige Energie an. Die eigentliche Explosionswirkung wird
durch die unterschiedliche Dichte von Wasser im Vergleich zu Dampf
verständlich: Wenn Wasser an der Erdoberfläche verdampft, dehnt es sich
schlagartig um das 2000fache aus! Alle Hitze setzt sich in Bewegungsenergie
um. Dadurch wird die Magma-Wasser-Kontaktzone aufgesprengt und
trichterförmig erweitert. Bereits zerfetzte Lava wird nach außen geschleudert
und weiter zerbröselt, durch den Luftkontakt/-transport schnell abgekühlt
und als Lapilli und Aschenstaub abgelagert. Die Auswirkungen
Die Auswirkungen der Explosion

Bei solch einer gewaltigen Explosion wird eine Energie frei, die an die Zerstörungskraft
von Atombomben erinnert. Lavateilchen treten mit bis zu
400m/sec aus (deutlich über Schallgeschwindigkeit!). Ein einzelner Ausbruch
kann leicht die Sprengwirkung von 1.000 t TNT (Dynamit) und damit
ein Zwanzigstel der Hiroshima-Bombe erreichen. Dampfexplosionen wirken
über Druckwellen in alle Richtungen, sie zerkleinern das Magma in feine
Teilchen und zerstäuben das Gestein der Umgebung, den Schiefer, Sandsteine
und Böden aus den Eiszeiten. Die Explosionskammern werden vollständig
zertrümmert und ausgeblasen. In die entstehenden Hohlräume
fließt Wasser nach und setzt die Explosionsreihe rhythmisch-pulsierend
fort. Da immer mehr Material heraus geschleudert wird, verlagern sich die
Explosionsherde bis mehrere Hundert Meter nach unten und verformen
die Schlote zu steilwandigen Trichtern. Aufbrechende Gas-Blasen und in
kurzen Abständen auftretende Fontänen zerfetzen die wenige austretende
flüssige Lava schnell und gründlich.

Je nach Stärke des Ausbruches,
Wind und Wetterlage
können explosive Aschewolken
einige Hundert Meter
Höhe erreichen. Sie sind damit
um Längen niedriger als
die Wolkensäulen der großen
Ausbrüche (Mt.St.Helens-
Ausbruch mit über 20 km
Höhe, Laacher-See-Ausbruch
rekonstruiert auf über 30 km
Höhe). Lapilli, Aschen und
einzelne Bomben fallen rund
um den Schlot zu Boden.
Zusätzlich kann es zu Serien
energiereicher Schockwellen
im Minutentakt kommen.
Diese bestehen fast ausschließlich
aus glühenden Gasen in Seitwärtsbewegung und breiten sich
deshalb auch weit in die Umgebung aus. Sie rollen mit großer Geschwindigkeit
über den Boden, reißen alle Vegetation hinweg und sind
damit die heimtückischsten und tödlichsten aller vulkanischen Wirkungen.
Da sie außer Gasen höchstens feine Aschen mit sich führen und folglich
kaum Ablagerungen hinterlassen, sind sie von Geologen nur schwer
nachzuweisen, lassen sich aber für das Pulvermaar annehmen. Sollten
Mensch & Tier damals nicht rechtzeitig gewarnt und geflüchtet gewesen
sein, so werden ihnen diese Glutwolken ein Entkommen kaum möglich
gelassen haben!
Das Ende
Das Schicksal des Pulvermaar-Vulkans

Nach einiger Zeit beruhigte sich der Vulkan. Die Ursache dafür ist bis heute
unklar. Blieb irgendwann aufsteigendes Gas/Magma aus, sodass die
Explosionen einfach ihren Nährboden verloren? Bewegte sich der Tephra-
Wall in Richtung Explosionsherd und schüttete das Magma in der Tiefe
langsam zu? Vielleicht erstickte der Schlot an seinem eigenen Auswurf.
In diesem Sinne ist das Pulvermaar ein Vulkan, der im Anfangsstadium
stecken blieb. Theoretisch könnte er wieder aktiv werden, doch ist genau
das nach so vielen Jahrtausenden der Ruhe unwahrscheinlich. Weder hier
noch in anderen Teilen der Eifel lässt die obere Erdkruste heute hochdrückendes
Magma im Untergrund vermuten; auch die aufsteigenden
Quellen & Gase sind höchstens
wohltemperiert. Sollte
die Magmakammer unter
dem Raum Gillenfeld/Strohn/
Immerath wieder einmal aktiv
werden, so wird sie sich
sicherlich einen anderen, einen
neuen Weg nach oben
suchen.
Das Alter
Wie alt ist das Pulvermaar?
Die heutigen Maar-Seen sind die jüngsten vulkanischen Zeugnisse der
Eifel. Das Alter des Pulvermaares schätzt man auf 20 – 30.000 Jahre.
Damals, in der letzten Eiszeit, herrschte in der Vulkaneifel ein kalt-trockenes
Klima, ähnlich dem heute auf Island. Die Landschaft muss man sich als
baumlose Kältesteppe (Tundra) vorstellen, vermutlich mit Schnee & Eis bedeckt,
mit Dauerfrostboden und nur spärlichem Bewuchs. Wenn Menschen
damals diese Region durchstreiften, dann als Rentierjäger.
Der Pulvermaar-Vulkan hat dem Gesicht der Eifel ein "blaues Auge" zugefügt,
das steilste Maar mit einem noch voll geschlossenen Wall. Er hat
über Tage/Wochen mit großer Kraft und in voller Lautstärke die damalige
Landschaft 'beschossen', mit hohen Explosionswolken seine weithin sichtbare
Marke gesetzt, Aschen & Lapilli regnen lassen, mit heißen Druckwellen
die Vegetation im Umkreis verbrannt und die Region für Mensch & Tier
zu einer Schreckenszone gemacht. Das Pulvermaar ist auf jeden Fall ein
heute, nach fast 30.000 Jahren, immer noch beeindruckender Beleg für
einen außergewöhnlichen, so ganz andersartigen, weil 'kalt'-staubigen
Vulkanausbruch.
Text: F.G.Fetten · Literatur: Wilhelm Meyer, Geologie der Eifel (1994); Hans-Ulrich
Schmincke, Vulkanismus (2000)
Für geologischen Rat Dank an P. Bitschene
(Gerolstein), Th. Lukaschek (Rheine) und A. Schüller (Daun).